Samstag, 11. Dezember 2010

Mittelalter: Schleier 11./12. Jh. oder "Schwedische Gardinen"

Gestern ist endlich ein Projekt fertig geworden, das ich bereits im Juni begonnen habe. Ich reiste mit meinem Mann durch Schweden und da blieb ein Besuch der Königlichen Leinenweberei in Klässbol natürlich nicht aus :-) Neben der Besichtigung der beeindruckenden Handwebstühle durften wir schon ein paar Tage vor Victorias Hochzeit einen Blick auf die Bettwäsche ihrer Hochzeitsnach werfen!

Natürlich musste ein Stück als Andenken mit. Ich entschied mich für ein Stück schwedischen Gardinenstoff, B-Ware zum günstigen Preis. Eigentlich hat der Stoff nämlich farbige Streifen an den Rändern, aber die konnte ich sowieso nicht gebrauchen und einfarbigen Stoff in dieser transparenten Webart, die sich für mittelalterlliche Schleier hervorragend eignet, hatten sie nicht im Sortiment. Also erstand ich ein Stück, bei dem die Kanten gerissen waren, zum günstigen Preis.
Noch auf der Fahrt habe ich die Kanten abgeschnitten. Der Stoff ist aus einfädigen Garnen gewebt. Hervorragend! Denn so konnte ich Gewebefäden ausziehen, verzwirnen und damit nähen, wie bei Funden z. B. in Schleswig. Das Nähen der langen Kanten nahm einige Reisezeit in Anspruch, immerhin ist das gute Stück 2,6 m lang.
Viele mittelalterliche Schleier wurden direkt in Form gewebt und weisen Fransen an den Enden auf. Darum habe ich Gewebefäden an den kurzen Seiten ausgezogen und die Kettfäden in 5er-Gruppen zu Fransen gedreht. Das war die letzte Arbeit für die Reise, denn gesäumt ist der Schleier 58 cm breit und da war ich gut beschäftigt.
Nun habe ich endlich weiter gemacht. Viele mittelalterliche Schleier hatten nämlich eingewebte farbige Streifen an den Schmalseiten. Natürlich konnte ich auf den Webprozess keinen Einfluss mehr nehmen. Aber ich konnte ihn immitieren! Dafür habe ich Fäden ausgezogen und mit der Nadel Leinengarn in passender Stärke wieder eingefädelt. Passenderweise habe ich mich für die schwedischen Farben entschieden :-)
Das dunkle Blau ist eine Indigo-Färbung. Für das gelbe Garn habe ich unreife Kreuzdornbeeren verwendet.
Für die blauen Streifen habe ich in je 3 Fäden ausgezogen, dann 5 Fäden stehen gelassen und 6 Fäden für die gelben Streifen ausgezogen und ersetzt. So sieht das nun aus:




Heute habe ich das Stück dann auch gleich ausprobiert und meinen Mann gebeten ein paar Fotos zu schießen. Naja, der Schleier muss noch gewaschen werden, mit der Appretur ist er kaum zu bändigen... Und ja, es sieht bei uns im Flur wirklich so aus, aber nein, wir wohnen nicht auf einer Burg :-)
Das Kleid ist im Übrigen aus Seide und mit Krapp und Reseda gefärbt und über die ganze Fläche mit Kettenstichen bestickt. Eigentlich wollte ich darin heiraten. Leider habe ich im Hochzeitsvorbereitungsstress 14 Kilo zugenommen und am großen Tag nicht mehr rein gepasst *seufz* Immerhin, jetzt passt es wieder und ich bin froh, wenn ich es in der nächsten Saison wieder tragen kann.


3 Kommentare:

  1. Ich glaube,so eine Art Stoff habe ich noch liegen und das mit dem Einziehen der Fäden ist echt eine gute Idee! Allerdings würde ich mir Deckchen daraus machen!;-)))
    Das Kleid steht dir gut!
    Lieben Adventsgruß,Ulla

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  2. Oh Zebra, Du postest ja schneller als ich lesen kann ;-)!

    Sehr professionelle Lösung mit dem Ausziehen und Ersetzen der Fäden - alle Achtung!

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  3. Keine Sorge, das mit dem Posten ist ja nicht immer so... Heute gibt's noch einen und dann bin ich erstmal wieder ein paar Tage weg zum Arbeiten und habe keine Chance Blogs zu lesen oder zu schreiben. Dazu kommt, dass meine aktuellen textilen Projekte überwiegend etwas größer sind (z. B. Gardinen! *seufz*) und sich daher wohl auch noch ein bisschen hinziehen werden... :-)

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