Montag, 22. August 2011

Schöner Reparieren 1 - Baumwoll-Tunika

Derzeit sind gewissermaßen Reparatur-Wochen beim Zebra :-) So manches Teil mit geplatzter Naht hat sich in den letzten Monaten bei meinem Mann und mir angesammelt. Meistens bedeutet Reparieren hier die Nähte möglichst unsichtbar wieder zu schließen. Aber das muss nicht immer so sein. Ich habe ja schon Teile hier vorgestellt, die durch die Reparatur noch viel besser geworden sind, etwa das fliederfarbene Shirt oder das schwarze Shirt, das erst durch die lochverdeckende Applikation zu etwas besonderem geworden ist und seinen Charakter erhalten hat.
Ich bin im Besitz von zwei Baumwoll-Tuniken aus Pakistan, die ich wegen ihrer wunderschönen Stickereien sehr liebe und wegen des angenehmen Schnitts mit leicht ausgestellten Ärmeln auch gerne trage. Eine ist aus einem senfgelben, leichten Stoff und hat einen asymmetrisch geschwungenen Halsausschnitt mit einem Mini-Stehkragen.


Die andere ist aus einem dickeren Stoff und sehr angenehm in der nahenden "Übergangszeit" zu tragen. Der Stoff wurde aus schwarzer Kette und orangem Schuss gewebt und wirkt dadurch leicht changierend in einem warmen braun. Sie ist üppig und wunderschön bestickt.



Ich habe die Tuniken in einer Art Hippie-Laden in Frankfurt erstanden. Ich bin mir über den Preis nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube sie sollten bloß um die 14 Euro pro Stück kosten und weil ich zwei gekauft habe, waren es zusammen nur 20 Euro. Das bedeutet 10 Euro pro Stück! Wenn man davon ausgeht, dass die Ladenbetreiberin auch noch was daran verdienen will, muss man sich fragen, was der pakistanische Baumwollbauer wohl noch abbekommen hat. Und eigentlich schäme ich mich ein bisschen, dass ich vor ein paar Jahren die Tuniken zu diesem Preis gekauft habe. Aber hätte ich freiwillig mehr bezahlt, hätte das wohl der Ladenbetreiberin gut getan, aber beim Baumwollbauer wäre sicher trotzdem nichts angekommen, geschweige denn bei der Näherin oder der Stickerin.
Ich bin kein besonders sozial-engagierter Mensch, meine Schwerpunkte liegen woanders. Aber oft decken sich die Interessen der Bevölkerung mit ökologischen Interessen. Da Baumwolle ja nicht nur in Form solcher hübsch bestickten Tuniken vorkommt, sondern heute eigentlich das wichtigste Bekleidungs- und Handarbeitsmaterial ist (vom Stickgarn bis zum Patchworkstoff werden da jährlich in Deutschland gigantische Mengen verarbeitet!), habe ich mal ein bisschen darüber recherchiert. Ich habe eine ganz interessante Seite gefunden, auf der Informationen sowohl über die sozialen als auch über die ökologischen Auswirkungen des Baumwollanbaus zusammengestellt sind (gut fand ich dort auch, dass die Seite ihre Quellen angibt und nicht einfach nur irgendwas behauptet).

Nun zurück zu meinen Tuniken. Die braune hatte ein Loch im Stoff auf der Rückseite. Ich habe keine Ahnung, wie es dahin gekommen sein mag. Klar, das Stück war sehr billig und es wäre sicher leicht einen entsprechend günstigen Ersatz zu beschaffen. Aber nachdem mir unbekannte Menschen schon so viel Arbeit hineingesteckt haben, um das Stück zu fertigen, das aufwändige Muster zu entwerfen, zu sticken und Pailetten, Perlen etc. aufzunähen, war es eine Selbstverständlichkeit, dass ich es möglichst gut reparieren wollte, um noch viele Jahre Freude daran haben zu können.
 Ich habe das Loch mit schwarzem Garn gestopft, aber da der Stoff ja aus zwei Farben gewebt war, sah das alleine natürlich nicht gut aus. Von der Igel-Tischdecke hatte ich noch Stickgarn in einem passenden Beigeton übrig, um das Loch übersticken zu können. Ich entschied mich also auch auf der Rückseite eine Borte anzubringen, wo es bisher noch keine gab. Die Stickerei auf der Vorderseite war überwiegend im Kettenstich ausgeführt, was mir ja sehr entgegen kam, weil es auch mein Lieblingsstich ist. Ich begann auf dem geflickten Loch und stickte einen Kreis und von dort aus - ohne Vorzeichnung und erstmal auch noch ohne Plan - den ersten Bogen. Dann formte sich in meinem Kopf die Idee für das Muster. Ich griff die Kringel in der Bogenmitte von der Vorderseite auf und dazwischen kamen diese Kugeln am Stiel. Für diese Muster verwendete ich das Garn zweifädig.
Dann wollte ich gern darunter noch die Wellen- bzw. Zickzacklinie aufgreifen, die auch auf der Vorderseite und an den Ärmeln den Abschluss bildet. Da das Garn langsam knapp wurde, habe ich nur noch einfädig gearbeitet. Wie auch schon das Hauptmuster ohne Vorzeichnung.


Als letztes wollte ich dazwischen noch eine gerade Linie einfügen, um die Ähnlichkeit zur Vorderseite noch zu verstärken, aber da ging mir leider 5 cm vor Schluss das Garn aus. Sowas passiert halt, wenn man nur mit Resten arbeitet. Also eine Reihe Kettenstiche wieder auftrennen :-( Trotzdem gefällt mir das Ergebnis sehr gut und die Tunika eigentlich noch besser als vorher, weil sie jetzt auch auf der Rückseite bestickt ist. Ich hatte zwar auch noch ein paar helle Perlen, die ich hätte einarbeiten können, aber ich finde das zum Draufsitzen nicht so praktisch und habe es lieber gelassen.
Es war ungefähr einen Tag Arbeit, um ein 10-Euro-Kleidungsstück zu retten. Aus meiner Sicht aber aus Respekt vor dem Material und vor allem der Arbeit, die andere Menschen bereits hinein gesteckt haben, das einzig richtige.

2 Kommentare:

  1. hej, die ist gut geworden! eigentlich - gefaellt mir die hintere borte jetzt besser als die vordere, ahem:)) ich hab bei sowas allerdings fast immer das glueck, dass die loecher an den bloedesten stellen auftauchen... meine oma hat frueher immmer unsere sachen geflickt, und man fand stickbluemchen an den seltsamsten stellen - seitdem bin ich da wohl etwas geschaedigt:)) aber ich finde, es ist eigentlich egal, ob das stueck teuer oder billig war - es aergert mich, wenn ein teil, das ich gern getragen habe, kaputt ist und dann wird es auch repariert, wenns (fast) umsonst war. inzwischen habe ich nur noch wenige sachen, die ich nicht gerne trage und leider finde ich oft grad fuer meine lieblingssachen keinen ersatz, da bleibt nur flicken, bis das teil auseinanderfaellt.... ausserdem gibts woanders ja auch den mehrwert - also war dein tag arbeit mit dem reparieren eben auch sowas und nun ist deine tunika viel mehr als 10 euro wert:))

    AntwortenLöschen
  2. Gut gelungene Reparatur - ich finde es auch schön, daß die Rückseite jetzt mit bestickt ist!

    Daß das Kleidungsstück nur 10 Euro gekostet hat, tut nichts zur Sache - auch ich bin der Meinung, daß ein Stück, daß man sehr gerne trägt - und die per Hand gefertigt ist, von wem auch immer - nicht mit einer Geldsumme bewertet werden kann.

    AntwortenLöschen