Samstag, 17. Dezember 2011

Mittelalter - Borte für Brautkleid fertig

Nun wollte ich Euch mal zeigen, was ich in den letzten Monaten noch so sticke und warum ich die Arbeit am Joseph (der ist diese Woche mal wieder mächtig gewachsen! Schaut mal auf meiner Seite 3 vorbei) eigentlich sehr "grob" finde und sie mir zügig von der Hand geht.
Und keine Sorge, ich will nicht nochmals heiraten! Das Fest war fantastisch, ein wirklich EINMALIGES Erlebnis eben, das ich nicht wiederholen möchte :-)
Da wir aber mittelalterlich geheiratet haben und man damals auch nicht in Weiß geheiratet hat, benutze ich mein Brautkleid seither natürlich weiter. Es war aber wirklich wie man so schön sagt "mit der heißen Nadel" zusammengenäht und das will ich Euch kurz erzählen.
Für Familie und Freunde, die zur Hochzeit kommen wollten, haben wir die gleichen hohen Maßstäbe an die Qualität der mittelalterlichen Ausstattung angelegt, wie für unsere Gäste aus dieser Szene. Von daher habe ich monatelang für diverse Leute genäht und gestickt und es dann trotz Helfer im Vorfeld einfach nicht mehr geschafft, mich um mein Brautkeid zu kümmern. Ich hatte noch ein schickes Kleid aus grüner Seide mit eingewebten Falken, in dem ich notfalls hätte heiraten können und das ich auch beim Standesamt getragen habe. Aber vielleicht habt Ihr Verständnis dafür, dass man als Frau gerne mit einem neuen und besonderen Kleid zum Altar schreiten möchte. Es kam erschwerend hinzu, dass ich mir den grünen Stoff einstmals mit meiner Trauzeugin geteilt habe und wir daher zwei sehr ähnliche Kleider hatten, was auch nicht das ist, was eine Braut sich wünscht.
Aber es war einfach nichts zu machen, es gab viel zu viel anderes vorzubereiten und zu organisieren. Deshalb habe ich den Ballen krappgefärbter Seide unzerschnitten mit auf die Lütjenburg genommen. Vor Ort ist dann etwas unglaubliches passiert: Verschiedene Leute haben ihre Hilfe angeboten und das ganze Kleid noch dort genäht! Ich habe immer mal zwischen Tür und Angel ein Stück zugeschnitten und irgendwem ein paar Anweisungen erteilt. Insgesamt haben 10 Personen mitgearbeitet. Das besondere war, dass ich einen neuen Schnitt ausprobieren wollte, um ein Kleid von einer Statue an der Kathedrale von Chartres zu rekonstruieren. Keiner von uns hatte je so ein Kleid genäht und ich wusste überhaupt nicht, ob es so funktionieren würde, wie ich es mir ausgedacht hatte. Aber ich habe beim Zuschneiden einfach auf meine Näherfahrung vertraut und losgelegt. Das Ganze Kleid besteht ausschließlich aus Rechtecken, aber mit den vielen Falten war es viel Arbeit. Das Oberteil ist größtenteils noch mit Leinen gefüttert, damit es sich beim Schnüren nicht verzieht. In der Nacht von Samstag auf Sonntag habe ich dann selbst noch die letzten Teile der Ärmel zusammengesetzt, um 3 Uhr war es "fertig". Nun ja, zumindest so, dass ich am nächsten morgen um 10 Uhr darin erstrahlen konnte. Aber es ist noch viel daran zu tun, so manches muss noch überarbeitet, innen versäubert werden etc., es fehlen Stickereien und Borten. Aber wie das mit Provsorien so ist, ich habe es seither in unveränderter Form schon mehrfach getragen. Das will ich aber in diesem Winter ändern!

Jetzt habe ich es erst nochmal gewaschen, bevor die Borten aufgesetzt werden. Und ich habe die Borte für die vordere Kante der beiden langen Kasten-Ärmel gestickt, die ich Euch jetzt zeigen will.
Die Borte besteht aus handgewebter, pflanzengefärbter Seide (Reste von meinem Mantel) in leuchtendem Gelb. Es ist nur grob im Überwendlichstich gesämut, damit der Stoff bei der Stickarbeit nicht ausfranst. Beim Aufnähen werden die Ränder umgeschlagen.
Darauf habe ich (wie üblich ohne Vorzeichnung) ein Muster aus Kästchen und darin kleinen Blüten (erinnert Ihr Euch an die Prägefolie bei meinem Ringkästchen?) gestickt. Das Garn ist unverzwirnte und kaum gerdrehte Haspelseide. Das schönste und feinste, was ich so kenne und ich liebe es damit zu arbeiten. Auch das meiste an meinem Mantel ist damit gestickt. Es ist selbst gefärbt, aber leider gibt das Blau kaum einen Kontrast zum Grund und wirkt sehr hell. Der Rotton kommt dafür umso schöner heraus. Insgesamt ist die Borte 3 m lang. Ich habe mal ein Cent-Stück, passenderweise mit dem Castel del Monte :-), darauf gelegt als Maßstab.


Aber damit nicht genug, ich wollte die Borte noch etwas prächtiger haben und deshalb habe ich fast 400 Perlen einzeln aufgenäht. Jetzt ist die Borte fertig und kann aufgenäht werden.


Jetzt ist Euch vielleicht klar, warum mir der Joseph trotz der großen grünen Fläche eher wie eine nette kleine Arbeit für Zwischendurch vorkommt. An der Borte habe ich mehrere Monate gesessen und fast 100 x das selbe Motiv gestickt. Da ist so ein Bild doch sehr viel kurzweiliger.

3 Kommentare:

  1. Du bist doch ein verrücktes Huhn (das meine ich jetzt sehr respektvoll)! Also - Respekt!

    Das Kleid ist schon im 'Provisorium' sehr hübsch geworden - und die Geschichte dahinter, mit den vielen Helfern, die mit daran gearbeitet haben, machen es zusätzlich noch zu einem sehr besonderen Stück!

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  2. Jetzt habe ich mir gerade Deinen Josef noch angeschaut, und das Problem mit den verschiedenen Grüntönen. Aber weißt Du, ich finde, es stört eigentlich nicht - die Grundfarbe ist ja die Gleiche, und diese verschiedenen Nuancen machen diese große, homogene Fläche dadurch mehr lebendig. Ich denke, daß man im Mittelalter sicher auch nicht so haklig war, mit gleichem Farbbad und so - und da man damals ausschließlich mit Naturfarben gefärbt hat, haben sich Farbunterschiede dadurch ganz natürlich ergeben.

    Ich finde die Arbeit insgesamt ganz doll und bin gespannt, sie weiter zu verfolgen! (Die Idee, jeden Samstag daran zu arbeiten, ist auch sehr klug - nur so geht etwas kontinuierlich weiter!

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  3. das Kleid sieht phantastisch aus !
    Besonders bewundere ich auch Deine Geduld mit der Du die Borte gestickt hast !
    Herzliche Weihnachtsgrüße sendet die naehmeise

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