Sonntag, 13. Februar 2011

4 Monate Blog, 4 Monate moderne Handarbeiten

Zeit für einen kleinen Rückblick und ein paar Gedanken. Im letzten Oktober, nach unserem Umzug in ein Häuschen im Rheinland, habe ich einen schon einige Monate schwelenden Gedanken in die Tat umgesetzt: Handarbeiten und Basteln nicht mehr nur für's Mittelalter sondern auch für das Jetzt und Hier. Dahinter steht der Wunsch sich von der Konsumgesellschaft zu lösen. Das Wegwerfen von Gegenständen/Kleidung möchte ich ebenso vermeiden wie das Neukaufen von Billigwaren made in sonstwo. Desweiteren wünsche ich mir Individuelles, was meinen Vorstellungen nicht nur ungefähr sondern ganz genau entspricht! Und das fängt beim Schuhschrank an und geht bis zum T-Shirt. Meine Figur entspricht nicht den gängigen Kleidergrößen, so dass Einkaufen mir ohnehin nie besondere Freude bereitet hat. Sich zukünftig mit weniger Kunststoffen zu umgeben ist ein weiterer Wunsch.
Als ich angefangen habe, konnte ich Nadelbindung, Sticken, Nähen mit der Hand, Spinnen, Färben mit Pflanzen, Brettchenweben, ein wenig Filzen und Weben sowie Knüpfen. Ich hatte mir vorgenommen an modernen Techniken Häkeln, Stricken und Nähen mit der Nähmaschine zu lernen. Ein Handarbeitsgeschäft hatte ich seit Jahren nicht von Nahem gesehen
Auf der Suche nach einer geeigneten Dokumentation habe ich mich schließlich für einen Blog entschieden, der noch im Laufe des Oktober online ging. Bisher stand ich dem Bloggen sehr skeptisch gegenüber. Ich will meine Zeit schließlich in erster Linie mit den Handarbeiten verbringen und nicht am PC. Trotzdem war mir eine ordentliche Dokumentation wichtig.

Und wie sieht es jetzt aus?
1. Häkeln, Stricken und Nähen mit der Nähmaschine habe ich gelernt. Naja, so grundsätzlich jedenfalls. Das Häkeln ist eine Technik, die mir sehr liegt und in die ich mich in kürzester Zeit verliebt habe. Die Häkelnadeln aus laminiertem Birkenholz mit ihren gedrechselten Enden sind ein wunderbar einfaches und doch optisch ansprechendes Werkzeug, das gut in der Hand liegt. Die Häkeltechnik erlaubt mir völlig freies Arbeiten ebenso wie bei der Nadelbindung. Das Nähen mit der Nähmaschine ist mir nach wie vor suspekt. Inzwischen wird es für größere Stücke zwar schon eingesetzt, aber überall, wo es kompliziert wird oder gut aussehen soll, greife ich doch lieber selbst zur Nadel. Hier brauche ich noch viel Übung...
Mit dem Stricken komme ich eigentlich schon ganz gut zurecht. Anders als beim Häkeln geht es stellenweise sogar ohne hinzusehen. Allerdings liebe ich die Technik nicht. Ich habe mich zwar auch hier mit Birkenholznadeln versorgt, aber mich stört, dass man so viel verschiedene Nalden braucht. Beim Häkeln ist es viel einfacher an verschiedenen Enden gleichzeitig zu Arbeiten, man braucht doch nur die eine Nadel. Beim Stricken ist das viel komplizierter. Und dann habe ich nicht gern die Maschen beim Arbeiten in der Hand. Trotzdem, ich mag das Ergebnis, also mache ich weiter. Vielleicht wird es ja doch noch Liebe auf den zweiten Blick?
Desweiteren habe ich mit großer Freude längst vergessen geglaubte Techniken aus Kindertagen hervorgekramt und für mich weiterentwickelt. Papier-Schneeflocken, Pappmaché-Anhänger und Flechtwerk aus alten Zeitungen sind einige der Ergebnisse gewesen.

2. Handarbeitszeitschriften
In den letzten Monaten habe ich diverse Näh- und Handarbeitszeitschriften gekauft und regelrecht studiert. Es hat mir geholfen viele Dinge zu verstehen und meine eigenen Entwürfe für die verschiedenen Techniken zu erstellen. Insbesondere die Nähzeitschriften haben mir außerdem geholfen meinen Respekt vor moderner Kleidung abzulegen. Ich habe für mich und andere schon viele mittelalterliche Kleidungsstücke gefertigt. Moderne Kleidung mit ihren stoffverschwenderischen Schnitten, Abnähern, Knöpfen und Reißverschlüssen selbst zu nähen oder zu verändern schien mir dagegen lange Zeit völlig unvorstellbar. Aber wenn man ein paar Hefte gelesen hat, versteht man irgendwann, dass auch moderne Kleidung nur aus einer begrenzten Anzahl von Teilen besteht und das es eigentlich nichts gibt, was man nicht auch selbst machen könnte.
Aus vielen Zeitschriften habe ich diverse Ideen zum Handarbeiten und Basteln mitgenommen.
ABER: Je länger ich sie lese, desto mehr scheinen sie mir nur aufwändig gestaltete Kataloge zu sein. Irgendwie scheint es ständig um den Verkauf von Stoffen, Handarbeitspaketen, Knöpfen und Garnen zu gehen. Das nervt inzwischen gewaltig, da ich das sowieso nicht kaufen, sondern in erster Linie aus dem hier vorhandenen etwas machen will. Dass eine große Nähzeitschrift seit neuestem damit wirbt, dass man die vorgestellten Modelle jetzt auch fertig kaufen könne, bestätigt meinen Verdacht mit dem Katalog. Was ergibt das auch für einen Sinn? Eine Nähzeitschrift kaufen und die Modelle dann fertig schicken lassen? Da kann ich nicht folgen, will ich auch gar nicht. Ich kaufe jetzt wieder weniger Zeitungen und auch nur dann, wenn etwas besonders interessantes darin ist.

3. Blog
Das Bloggen funktioniert für mich gut zur Dokumentation. Allerdings bin ich in meiner Freizeit so ungern und selten am PC, dass ich es bisher meist nur einmal im Monat geschafft und dann alle fertigen Projekte auf einmal eingestellt habe. Es freut mich, dass sich einige Leute entschlossen haben hier mitzulesen. Und so ergänze ich neben der puren Dokumentation für mich manchmal auch noch ältere Stücke. Ich habe festgestellt, dass es hier sehr nette und hilfsbereite Leute gibt und die Tipps sind manchmal wirklich Gold wert! Darum habe ich auch angefangen die Blogs anderer zu lesen. Allerdings mache ich auch das nicht regelmäßig bzw. schon, regelmäßig einmal im Monat :-) Das wird sich sicher auch nicht grundsätzlich ändern, meine Priorität ist einfach anders gelagert. Trotzdem schätze ich den Austausch inzwischen sehr und denke, dass ich von den vielen interessanten Leuten hier mehr lernen kann, als von den teilweise recht teuren Zeitungen.
Ich habe einige Blogs kennen gelernt, die mehrsprachig sind. Das finde ich sehr gut, denn man ist ja mit wenigen Klicks auf einem Blog aus Finnland, den USA oder Spanien. Auch ich überlege daher, ob ich vielleicht meinen Posts zukünftig eine englische Zusammenfassung beigeben sollte. Gemäß der Devise: global denken, lokal handeln! Und das Internet ist nun mal die globalste Sache überhaupt.

4. Handarbeitsläden
Ich habe in den letzten Monaten einige Handarbeitsläden aufgesucht. Einmal um mich mit Häkel- und Stricknadeln zu versorgen, zum anderen habe ich für Projekte für meinen Mann und meine Mutter nach Garnen gesucht. Die meisten Läden haben mich aber ziemlich enttäuscht. Wenn ich meinen Grundsätzen treu bleiben und Materialien verarbeiten will, die recycelt, natürlich oder regional und am liebsten mehreres auf einmal sind, dann wird es ganz schön schwierig. Garne ohne Kunstfaser-Beimischungen sind rar und die vorhandenen in der Regel vom anderen Ende der Welt. Kürzlich habe ich meinen Mann zu einem Ausflug nach Ahrweiler überreden können, da ich die Adresse eines Handarbeitsladens dort hatte. Der war wirklich schön! Eine große Auswahl und sogar handgesponnene Garne sind dort zu haben (die brauche ich zwar nicht, die mache ich mir selbst, aber gefreut habe ich mich trotzdem darüber). Von Lesern meines Blogs habe ich weitere Tipps bekommen. Tatsächlich bin ich jetzt in einem Katalog schon fündig geworden, was Natur- und sogar regionale Garne angeht. Also, Handarbeitsladen ist nicht gleich Handarbeitsladen und es lohnt sich etwas länger zu suchen, um doch noch Garne zu bekommen, die man mit gutem Gewissen verarbeiten kann. Das weiß ich jetzt für die Zukunft.

5. Ruhe und Hektik
Am Anfang bin ich eher hektisch an die Sache rangegangen. Das war auf der einen Seite erstaunlich, weil ich mir für mittelalterliche Projekte schon immer die nötige Zeit und Ruhe genommen habe. Manche Projekte haben Jahre gebraucht um fertig zu werden. Auf der anderen Seite ist es aber auch leicht zu erklären, denn ich hatte wochenlang Ideen gesammelt und Projekte erdacht, bevor ich wirklich loslegen konnte. Das war mehr so eine Art kreative Explosion ;-) (Kürzlich habe ich mir ein Büchlein genommen und mal ein paar Projekte skizziert, die ich schon fertig erdacht im Kopf habe, zumeist ist auch das Material schon vollständig vorhanden. Ruckzuck war ich bei 40!).
Ein Artikel von Sara Lechner gab letztlich den Ausschlag wieder zur Ruhe zu kommen und mir mehr Zeit auch für die modernen Projekte zu nehmen. Ich bin zwar weiterhin kontinuierlich täglich dabei etwas zu tun, aber mit mehr Ruhe. Schließlich muss ich so schnell nicht erfrieren. Umso erstaunter war ich, als ich auf einer Mailingliste eine Diskussion über Spinnräder verfolgt habe. Viele äußerten sich dahingehend, dass sie ein Rad aus Übersee haben (oder haben wollen), weil ihnen die hiesigen Spinnräder nicht genug leisten. Sie kommen damit nicht schnell genug voran, die Übersetzung ist ihnen zu klein usw. Ich habe mich der Diskussion enthalten und mich vor mich hingewundert. Denn schließlich verdienen die wenigsten auf der Mailingliste ihr Geld mit dem Spinnen, für die meisten ist es ein Hobby. Aber sie betreiben selbst ihr Hobby mit Eile und Hektik, es kann nicht schnell genug gehen. Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass sie mir Leid tun, denn sie können ihr Hobby und diesen Schaffensprozess gar nicht genießen.
Mit einem Bild von meinem liebsten Spinnrad möchte ich mich für heute wieder verabschieden. Es ist ein no-name-Drechslerrad aus dem Schwarzwald, das ich geschenkt bekommen und damals mit dem Zug abgeholt habe. Die Übersetzung ist niedrig, das Schwungrad sehr klein. Aber es spinnt Seide und Wolle ganz wunderbar. Das Spinnen damit ist für mich fast schon eine Art Meditation. Die Steinschaflammwolle für den Schal meines Mannes habe ich beispielsweise darauf gesponnen.

2 Kommentare:

  1. dazu passt der heutige film von arte, wo klar erklärt wird, dass bewusst das wegwerfen bei der herstellungen von produkten eingeplant wird...und ich verweigere mich dem auch immer mehr...
    meine schuhe halten,warum sollte ich wieder neue modische kaufen?z.B.
    ich habe gute Erfahrung mit anleitungen aus den büchereien gemacht, aber leider wurden viele schlicht aus dem buchbestand genommen..." sie seien veraltet" , daher mein rat..ANTIQUARIATE ,da habe ich schon so viele herrliche alte näh-und Strickbücher gefunden. oder inseriere..es gibt bestimmt wunderbare omas mit großem fundus . liebe grüße wiebke

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  2. Hallo Zebra,

    Ich mußte bei vielem, was Du hier schreibst, zustimmend nicken und schmunzeln! Auch ich wundere mich sehr über die Glorifizierung der (selbstgemachten) Hektik ...

    Wegen Stricknadeln: ich habe mir selber zu Weihnachten das Komplett-Set von KnitPro Rundstricknadeln in Holz geschenkt, und somit ist das Problem gelöst: Nadeln und Seile separat in verschiedenen Stärken/Längen zum Kombinieren, alles griffbereit in einem abendhandtaschenkleinen Etui - und superangenehm in der Handhabung, natürlich auch für Hin/herstricken - meine 'alten' Nadeln habe ich verschenkt!

    Im Net habe ich auch gesehen, daß manche 2ndHand-Pullover örtlich günstig kaufen (Humana/Rotes Kreuz etc), dann aufribbeln, aufwickeln/befeuchten und neu verstricken - auch eine sinnvolle Art von Recycling, oder? (Wenn man ein bißchen im Bekanntenkreis herumfragt, gibt es sicher dort auch einiges zu holen ...)

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