Sonntag, 17. Juli 2011

Mittelalter: Kleider geändert

Vor der Saison habe ich noch schnell zwei Kleider geändert. Bei dem einen handelt es sich um ein Wollkleid, aus einem schönen, feinen Köper, der mit Krapp in orange eingefärbt worden war. Das überbodenlange Kleid mit den sehr engen, sehr langen Ärmeln, gehörte eigentlich meiner Mutter (das hat sie bei unserer Hochzeit getragen). Ich habe es damals zugeschnitten, eine Freundin hat es genäht und ich habe anschließend nur noch die Seidenborten angebracht. Wie bei einem Fund aus dem 11. Jh. in Bamberg zu sehen, ist der Halsausschnitt (und die ihm folgende Borte) hinten am Hals ganz gerade. Vorn ist er halbrund. Um aber keinen halbrunden Besatz ausschneiden zu müssen (zu viel Verschnitt für die kostbare Seide!) wurde ein gerader Streifen in Falten gelegt. Das habe ich hier auch so gemacht. Der Halsausschnitt ist außerdem vorne geschlitzt und wird mit einer kleinen Fibel verschlossen.
Auch an den Ärmeln sind Seidenbesätze. Auf der Seide sind übrigens Falken zu sehen. Das Muster wurde ebenfalls in Bamberg gefunden und stammt aus dem 11. Jh. Wir haben die Seide vor vielen Jahren für uns weben lassen (aus einer leider nicht mehr existierenden Quelle, von daher braucht Ihr gar nicht danach zu fragen, sorry! Wir hätten gerne noch viel mehr dort bestellt...). Bei den Ärmeln habe ich allerdings einen Fehler gemacht, die Borten waren in unterschiedlicher Höhe. Das war vor der Hochzeit aber nicht mehr zu ändern, da zu viele andere Projekte fertig gestellt werden mussten. Zum Glück sind die Ärmel aber sehr lang und werden in vielen Falten geschoppt. Dadurch fiel es nicht so auf. Als ich mir das Kleid in diesem Jahr für Veranstaltungen ausgeborgte habe, habe ich mir aber dann doch mal die Mühe gemacht und die oberen Borten auf beiden Seiten abgetrennt und in gleicher Höhe wieder angebracht. So kann man es jetzt tragen!



Desweiteren habe ich für mich noch ein bequemes, einfaches Untergewand aus handgewebten Leinen fertig gestellt. Ich habe noch ein langes, ärmelloses Unterhemd besessen. Da aber die Existenz von Unterhemden für diese Zeit nicht klar ist, habe ich mich lieber entschlossen, ein paar Ärmel daran zu machen. Dazu habe ich Stoff aus meinem missglückten 1. Versuch vom Tischdeckenrekonstruktionsprojekt genommen. Zu dieser Geschichte lässt sich kurz folgendes sagen: Nach rund 100 Stunden Arbeit mit weißem, feinem Leinen, auf Leinengrund in verschränktem Hexenstich, war noch nicht viel zu sehen. Nur ein etwas verdickter Streifen, der erst auf den dritten oder vierten Blick aufgefallen ist :-) Ich habe die Tischdecke zwischenzeitlich in der Saison benutzt. Bei einer Sturmböe in mein unglücklicherweise gerade offen stehender Zelt, fiel dieses um, und damit auch der Tisch samt darauf stehenden brennenden Kerzen. Die Tischdecke erhilt Ruß- und Wachsflecken und Brandlöcher und ich habe das Projekt erstmal für etliche Jahre ausgesetzt. Ich denke mal, wenn ich noch ein paar andere größere Sachen abgeschlossen habe, fange ich nochmal von vorne an. So langsam (es war 2006) ist der Ärger verraucht...
Aus den noch brauchbaren Teilen der Tischdecke habe ich die Ärmel geschnitten. Sie sind lang (sollen auch wieder geschoppt werden), aber auch noch so weit, dass man sie aufkrempeln kann (sieht man auf dem zweiten Bild). Der Stoff ist gebleicht, es ist also kein Bauerngewand, aber auch nicht besonders fein. Dementsprechend sind die Ärmel nicht wie bei einer Adligen, sondern gewissermaßen für den "Mittelstand", jemand der schon ein bisschen was besitzt, aber manchmal auch noch selbst mitanpacken muss (etwa die Frau eines Ministerialen oder eines Handwerkers).
Auch die Stickerei wollte ich noch verwerten. Ich habe sie ausgeschnitten und als Borte auf den besonders beanspruchten Nähten des Kleides aufgesetzt, so wie bei verschiedenen Alben des Hochmittelalters im Original zu sehen. Die langen Seitennähte sind besetzt (kann man auch auf dem unteren Foto einigermaßen erahnen), sowie die Schulternähte bis zum Halsausschnitt. So wird es länger halten, weil die Stellen, die ich sonst am häufigsten flicken muss, einen Besatz haben.
Weil das Kleid so furchtbar bequem ist und der handgewebte Stoff nicht so schnell durchsichtig wird, benutze ich es gerne als "Badekleid". Denn nicht nur unser Hund, auch mein Mann und ich sind richtige Wasserratten! Und wenn es auf einer Mittelalter-Veranstaltung irgendwo einen See oder einen Graben gibt, müssen wir natürlich rein, insbesondere wenn es so heiß ist, wie auf den Veranstaltungen in diesem Jahr!




Wer das Schwimmen mit einem bodenlangen Kleid noch nicht ausprobiert hat: man kommt sich mit dem ganzen Stoff um die Beine ein wenig vor wie eine Qualle :-)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen